Unfassbar!

Besorgniserregende Reaktionen auf musikalische Kundgebung

Nach einer musikalischen Kundgebung in Hitzacker vor dem Haus des Staatsschutzbeamten Olaf Hupp, die sich gegen Spionage und Repression richtete, kam es zur Eskalation: Die ca. 60 Teilnehmer*innen der Kundgebung wurden auf dem Rückweg von der Aktion ohne Vorwarnung durch behelmte, vermummte Polizeieinheiten (BFE) überfallen, zu Boden geschlagen und über fünf Stunden in einem Kessel festgehalten. In der Folge nutzt die Polizei ihre scheinbare Deutungshoheit und verdreht eine musikalische Kundgebung in einen angeblichen Angriff teils vermummter Personen auf ein Familienhaus und phantasiert eine „neue Qualität der Gewalt“ herbei (Polizeipressestelle Lüneburg). Die Presse schreibt ab, ohne zu hinterfragen.

In den letzten Stunden häufen sich populistische und nicht recherchierte Artikel über gewalttätige Angriffe linker Chaoten auf eine Familie, während sie eine neue Dimension einer linksradikalen Gewalt heraufbeschwören. Sogar Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius ließ es sich nicht nehmen, ohne Kenntnis über die Ereignisse öffentlich sein Entsetzen zu äußern. Im folgenden soll vorgestellt werden, was die Gründe für die musikalische Aktion im Wendland waren und was am Freitag tatsächlich geschah.

Wer ist Olaf Hupp?

Olaf Hupp ist Polizeibeamter und Chef der Staatsschutzabteilung Lüchow-Dannenberg, der seit mehreren Jahren die widerständigen Strukturen des Landkreises im Wendland durchleuchtet. Sämtliche Anzeigen, Ermittlungsverfahren und Vorladungen gegen Personen, die dem linken Spektrum zugeordnet werden gehen von ihm aus. Er hat sich zum Ziel gesetzt, die radikale linke Bewegung im Landkreis zu verfolgen. Er agiert dabei übermotiviert und aggressiv – so droht er Betroffenen beispielsweise, dass er sie „fertig machen“ wird. Regelmäßige Durchfahrten durch als einschlägig wahrgenommene Treffpunkte sind an der Tagesordnung. Außerdem versucht er, Einzelne unter Druck zu setzen und damit den Widerstand zu spalten.

Einen Höhepunkt fanden seine repressiven Maßnahmen im Februar 2018 mit einem maßlos überzogenem Polizeieinsatz im Gasthof Meuchefitz. Dabei stürmte eine Hundertschaft vermummter und mit Maschinenpistolen bewaffneter Polizist*innen das Projekt, um ein mit der kurdischen Freiheitsbewegung solidarisches Banner zu entfernen. Betroffene berichten: „Er taucht immer wieder bei uns auf und schränkt unsere Freiheiten durch sein Wissen über uns und die von ihm angestossene Repression enorm ein.“

Die musikalische Kundgebung

Am Abend des 18. Mai 2018 versammelten sich etwa 60 Personen in Hitzacker, um gemeinsam zum Haus von Olaf Hupp zu spazieren. Auf dem öffentlichen Autowendeplatz vor dem Haus fand ein Konzert mit Unterstützung der Rotzfrechen Asphaltkultur (RAK) statt. Währenddessen wurden an seiner Garage Fahnen der kurdischen Freiheitsbewegung angebracht und eine weitere Fahne auf einem ca. drei Meter hohen, selbstmitgebrachten Mast gehisst. Die zwei nach kurzer Zeit eintreffenden Polizisten nahmen keinen wahrnehmbaren Kontakt mit der Versammlung auf. Nach der Darbietung von vier Liedern und wiederkehrenden „Hupp Hupp Hurra“-Rufen packten die Musiker*innen ihre Instrumente wieder zusammen und alle Beteiligten machten sich auf den Rückweg. Als sich die Gruppe langsam dem 500m vom Kundgebungsort entfernten Bahnübergang näherte, rasten plötzlich mehrere Wannen auf die Gruppe zu, aus denen vermummte BFE (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten) sprangen, die alle gewaltsam zu Boden rang. Die Polizei schlug auf die Personen ein, warf sie in Brennnesseln, trat einige brutal und fesselte sie mit Kabelbindern. Unter den Einsatzkräften befand sich auch Olaf Hupp (in Uniform und als einziger unter seinen Kolleg*innen unvermummt) und trat mit voller Kraft auf am Boden Liegende ein. Erst zwei Stunden, nachdem alle überwältigt worden waren und der Kessel sich geschlossen hatte, wurde den Eingeschlossenen der Grund für die Maßnahme mitgeteilt. Da es einige Verletzte gab, waren zwei Sanitäter der Rettungswacht vor Ort, welche zu Beginn die Situation – ganz nach dem Vorbild ihrer Kolleg*innen von der Polizei – ins Lächerliche zogen. Während der ersten 2 Stunden wurde allen der Gang zur Toilette verwehrt. In Sprechchören forderten die Festgesetzten, frei gelassen zu werden oder zumindest aufs Klo gehen zu dürfen. Auch Decken wurden den Eingekesselten verwehrt, selbst als es immer kälter wurde.

Um ca. 23 Uhr wurde mit den erkennungsdienstlichen Behandlungen begonnen, welche sich bis morgens früh um 2 Uhr zogen. Im Laufe des Zeit fanden sich viele Unterstützer*innen vor Ort ein und versuchten, die Menschen im Kessel so gut wie möglich mit Getränken und Musik zu unterstützen. Das Essen, das sie dabei hatten, wurde nicht bis zum Kessel durchgelassen.

Vier Personen wurden in Polizeigewahrsam nach Lüchow gebracht. Drei davon wurden bereits entlassen, eine Person wird noch immer festgehalten. Der Rest der Kontrollierten bekam Platzverweise ausgestellt, deren Begründung lautete: „Verdacht einen Landfriedensbruch und Hausfriedensbruch auf dem Privatgrundstück des Polizeibeamten Herrn Hupp begangen zu haben. Zu dem skandierten Sie sogar während der polizeilichen Maßnahme: „Hupp Hupp Hurra“ und heroisierten damit Ihr Verhalten.“ Außerdem wurden mehrere Gegenstände von Einzelpersonen konfisziert.

Überreaktionen

Der Polizeieinsatz war völlig unverhältnismäßig und eine reine Machtdemonstration von Olaf Hupp. Es ist unverhältnismäßig, mit einer Hundertschaft BFE Demonstrierende zu überfallen, sie niederzuschlagen und zu treten, weil sie vor einem Haus Musik gemacht haben. Und dennoch ist dies eine kaum anders zu erwartende Reaktion einer Institution, welche ihr Machtmonopol wahren möchte. Wenn es gewagt wird, die vorherrschenden Machtverhältnisse aufzuzeigen, wird offenbar nicht davor zurückgeschreckt, dem mit voller Härte zu entgegnen. Wir wollen uns dadurch aber keineswegs einschüchtern lassen, sondern erkennen mit Freude, einen wunden Punkt getroffen zu haben.

Es gibt Verantwortliche, die maßgeblich an den repressiven Verhältnissen mitwirken. Wir haben einen dieser Verantwortlichen exemplarisch herausgegriffen, um unsere Kritik am System von staatlicher Überwachung und Einschüchterung zu demonstrieren. In dieses System reiht sich auch die Reaktion der Presse ein, die das Spiel der gezielten Desinformation durch die Polizei unhinterfragt fortsetzt. Fast alle Nachrichtenportale übernahmen die Pressemitteilung der Polizei Lüneburg fast wortwörtlich, ohne ihrer gesellschaftlichen Aufgabe einer unparteiischen Recherche und Berichterstattung nachzukommen.

Die Rotzfreche Asphaltkultur

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